Ertrag­steu­er­li­che Organ­schaft über die Gren­ze bei ent­spre­chen­dem Ver­trag möglich?

Das FG Schleswig-Holstein hat sich im Urteil vom 13.03.2019 (Az. 1 K 218/15) mit der Rechts­fra­ge aus­ein­an­der­ge­setzt, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen eine Ver­lust­ver­rech­nung zwi­schen Mut­ter und Toch­ter­ge­sell­schaft „über die Gren­ze“ im EU-Raum hin­weg möglich sein könnte.

Eine inländische Mut­ter­ka­pi­tal­ge­sell­schaft begehr­te die Ver­rech­nung von Ver­lus­ten einer Toch­ter­ge­sell­schaft in Frank­reich mit ihren deut­schen Gewin­nen. Zwar könnten die Vor­aus­set­zun­gen einer Organ­schaft nach deut­schem Recht nicht erfüllt wer­den, da weder der vor­ge­se­he­ne dop­pel­te Inlands­be­zug für Geschäftsleitung und Sitz vor­lag noch nach französischem Recht ein wirk­sa­mer Gewinnabführungsvertrag abge­schlos­sen wer­den kann. Den­noch sei die Ver­lust­ver­rech­nung nach einschlägigen EuGH-Urteilen euro­pa­recht­lich gebo­ten. Denn bei den Ver­lus­ten der ausländischen Kapi­tal­ge­sell­schaft han­de­le es sich um sog. „fina­le“ Ver­lus­te, da die­se die Ver­lus­te weder in der Ver­gan­gen­heit nut­zen konn­te noch jemals in der Zukunft nut­zen können wird. Die Vor­aus­set­zung der §§ 14 ff. KStG sei­en daher gel­tungs­er­hal­tend so zu redu­zie­ren, dass auf die bei­den Vor­aus­set­zun­gen vollständig ver­zich­tet wer­de. Aus­rei­chend sei es, wenn Mut­ter und Toch­ter­ge­sell­schaft ein „Organschaftsverhältnis auf fak­ti­scher Grund­la­ge gelebt“ hätten. Dies lehn­te das FG letzt­lich jedoch ab.

Zwar ist nicht von der Hand zu wei­sen, dass die im deut­schen Recht nicht vor­ge­se­he­ne inter­per­so­nel­le Ver­lust­ver­rech­nung zwi­schen einer gebietsansässigen Mut­ter­ge­sell­schaft und einer im sons­ti­gen Gemein­schafts­ge­biet ansässigen Toch­ter­ge­sell­schaft euro­pa­recht­li­chen Beden­ken begeg­net. Es könnte damit eine Beschränkung der Nie­der­las­sungs­frei­heit vor­lie­gen, die im Fal­le „fina­ler“ Ver­lus­te auch nicht gerecht­fer­tigt sein dürfte. Hin­sicht­lich der dar­aus resul­tie­ren­den Rechts­fol­ge war das FG jedoch unter Hin­weis auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung der Auf­fas­sung, dass je nach kon­kre­ter Aus­ge­stal­tung der natio­na­len Rege­lun­gen ein­zel­ne Merk­ma­le vollständig zu ver­wer­fen sei­en, ande­re wie­der­um ledig­lich im gemein­schafts­recht­li­chen Licht und wei­te­re Merk­ma­le unverändert zur Anwen­dung kom­men könnten. Des­halb lässt sich aus der EuGH- Recht­spre­chung auch kein gemein­schafts­recht­lich begründetes, qua­si übergeordnetes all­ge­mei­nes Gebot zur Ermöglichung EU-grenzüberschreitender Ver­lust­ver­rech­nun­gen ent­neh­men. Eine grenzüberschreitende Ver­rech­nung (fina­ler) Ver­lus­te kann, muss aber im kon­kre­ten Fall nicht das Ergeb­nis einer ent­spre­chend gebo­te­nen Rechts­aus­le­gung sein.
Wie auch das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17.03.2010,Az.1K2406/07) und das Niedersächsische FG (Urteil vom 11.02.2010, AZ. 6 K 406/08) bereits ent­schie­den, kann am dop­pel­ten Inlands­be­zug (Geschäftsleitung und Sitz im Inland) nicht fest­ge­hal­ten wer­den. Denn damit sind ausländische Gesell­schaf­ten von einer Verlustverrechnungsmöglichkeit von vorn­her­ein vollständig – und ohne eine gestal­te­ri­sche Ausweichmöglichkeit – ausgeschlossen.
Ande­res gilt jedoch für das Erfor­der­nis eines Gewinnabführungsvertrages. Die­ses beinhal­tet eine bereits zivil­recht­lich ver­wur­zel­te Rechts­grund­la­ge einer umfas­sen­den Gewinnabführung mit gleich­zei­ti­ger Ver­pflich­tung zum Ver­lust­aus­gleich, der durch die Rege­lun­gen der §§ 14 ff KStG auch steu­er­li­che Maß­geb­lich­keit zukommt. Auch die Recht­spre­chung bestätigte in der Ver­gan­gen­heit die Not­wen­dig­keit einer wech­sel­sei­ti­gen gesell­schafts­recht­li­chen Ver­flech­tung für eine auch steu­er­lich anzu­er­ken­nen­de Vermögensverschiebung.

Des­halb ist nach Auf­fas­sung des FG auch im Rah­men einer gel­tungs­er­hal­ten­den Reduk­ti­on der §§ 14 ff. KStG so weit als möglich am Erfor­der­nis eines Gewinnabführungsvertrages als dem Kern­ele­ment der Organ­schaft fest­zu­hal­ten. Auch für einen Ver­lust­ab­zug „über die Gren­ze“ muss daher als Min­dest­vor­aus­set­zung eine ver­bind­li­che schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­rung zwi­schen Toch­ter und Mut­ter­ge­sell­schaft bestehen, die wie­der­um eine Ver­pflich­tung zur Verlustübernahme durch die Mut­ter­ge­sell­schaft ent­hal­ten muss.

Anders als ein for­ma­ler Gewinnabführungsvertrag hätte eine sol­che schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­rung zwi­schen deut­scher Mutter- und französischer Toch­ter­ge­sell­schaft abge­schlos­sen wer­den können. Man­gels einer sol­chen Ver­ein­ba­rung lehn­te das FG die Ver­lust­ver­rech­nung letzt­lich ab.

Hin­weis:
Die gegen die o. g. ande­ren FG-Urteile ein­ge­leg­ten Revi­sio­nen wur­den ohne Ent­schei­dung über die Fra­ge been­det, ob tatsächlich eine ent­spre­chen­de schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­rung für eine Ver­lust­ver­rech­nung „über die Gren­ze“ aus­reicht. Nun­mehr erhält der BFH mit der gegen das aktu­el­le Urteil des FG Schleswig-Holstein ein­ge­leg­ten Revi­si­on (Az. I R 26/19) eine Gele­gen­heit, dazu Stel­lung zu neh­men. Sei­ne Ent­schei­dung bleibt abzuwarten.
Solan­ge Deutsch­land nicht die immer wie­der dis­ku­tier­te Grup­pen­be­steue­rung (auch über natio­na­le Gren­zen hin­aus) einführt, besteht in der Pra­xis ein Bedarf der Ver­rech­nung „fina­ler“ Ver­lus­te ausländischer Betriebsstätten und Toch­ter­ge­sell­schaf­ten. Viel­leicht eröffnet sich nun­mehr eine Möglichkeit dazu.