Geschäftsführer muss Compliance-Struktur einrichten!

Im Rahmen seiner Tätigkeit obliegen einem Geschäftsführer diverse Sorgfalts-, Überwachungs- und Organisationspflichten. Kommt er diesen nicht ordnungsgemäß nach, haftet er gegenüber der Gesellschaft für den entstandenen Schaden. Das OLG Nürnberg konkretisierte in seinem Urteil vom 30.03.2022 (Az. 12 U 1520/19) den Umfang dieser Pflichten.

Im Streitfall gab eine GmbH & Co. KG an ihre Kunden Tankkarten aus, die das bargeldlose Tanken an den von ihr betriebenen Tankstellen ermöglichten. Einige Kunden schöpften ihre Kreditlimits aus bzw. überzogen diese. Der zuständige Mitarbeiter der GmbH & Co. KG bemerkte dies, unternahm aber nichts. Zur Verschleierung der Kreditüberziehung wies er Tankkarten der betroffenen Kunden anderen Kunden zu; entsprechende Rechnungsschreiben manipulierte er. Er bot zudem an, bei den betroffenen Kunden als Prokurist tätig zu werden, da er so die Zahlungen an die GmbH & Co. KG besser überwachen bzw. veranlassen könne. Über das Vermögen dieser Kunden wurden sodann Insolvenzverfahren eröffnet, die für die GmbH & Co. KG zu einem Forderungsausfall i.H.v. insgesamt rund EUR 860.000 führten. Diese machte infolgedessen Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Schädigung der Gesellschaft durch den veruntreuenden Mitarbeiter geltend. Das OLG Nürnberg folgte im Wesentlichen der Argumentation der GmbH & Co. KG.

Der Geschäftsführer muss sich an der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns messen lassen. Dies gilt im Streitfall auch im Hinblick auf die GmbH & Co. KG, die von dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH mitgeleitet wurde. Denn die alleinige oder wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH bestand in der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft. Es ist daher für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der GmbH & Co. KG irrelevant, dass der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vorliegend mit der Komplementär-GmbH bestand.

Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns gebietet es, eine interne Organisationsstruktur der Gesellschaft zu schaffen, die die Rechtmäßigkeit und Effizienz ihres Handelns gewährleistet. Dies gilt umso mehr, wenn der Geschäftsführer nicht sämtliche Maßnahmen selbst beschließt und selbst durchführt. Insoweit konkretisiert sich die Sorgfaltspflicht zu einer Unternehmensorganisationspflicht. Der Geschäftsführer muss das von ihm geführte Unternehmen so organisieren, dass er jederzeit Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft hat. Dies erfordert ein Überwachungssystem, mit dem Risiken für den Unternehmensfortbestand erfasst und kontrolliert werden können. Des Weiteren obliegt dem Geschäftsführer die Einrichtung einer Compliance-Struktur, also das Aufsetzen organisatorischer Vorkehrungen, die die Begehung von Rechtsverstößen durch die Gesellschaft oder deren Mitarbeiter verhindern.

Über diese Maßnahmen hätte dem Geschäftsführer bereits im Vorfeld der Manipulationen durch den veruntreuenden Mitarbeiter der stetig anwachsende und eine bedrohliche Höhe erreichende Forderungsbestand auffallen müssen.

Der Geschäftsführer hätte zudem bei den Eingriffen des Mitarbeiters in die Rechnungstellung einschreiten müssen. Denn das entsprechende Tätigwerden des Mitarbeiters in Bereiche außerhalb seiner eigentlichen Zuständigkeit wären über ein entsprechendes Kontroll- und Überwachungssystem leicht zu erkennen und somit auch zu verhindern gewesen, wie z.B. durch technische Sperren oder durch organisatorische Maßnahmen. Dazu hätte der Geschäftsführer im Tätigkeitsbereich des veruntreuenden Mitarbeiters das Vier-Augen-Prinzip durchsetzen müssen. Denn bei Wahrung dieses Prinzips wären die Manipulationen des Mitarbeiters von vorneherein aufgefallen und verhindert worden. Der Umstand, dass der Geschäftsführer kein hierzu geeignetes Personal gefunden hat, entlastet ihn nicht. Notfalls hätte er in diesem Tätigkeitsbereich selbst mitwirken müssen.

Der Vorschlag des veruntreuenden Mitarbeiters, bei den betroffenen Kunden als Prokurist tätig zu werden, wies zudem einen deutlichen Interessenkonflikt auf, der sofortige effektive Kontrollmaßnahmen des Geschäftsführers erfordert hätte.

Insgesamt ist der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH daher gegenüber der GmbH & Co. KG schadensersatzpflichtig, da er es pflichtwidrig versäumt hat, den eingetretenen Schaden durch Verhinderung des betrügerischen Verhaltens des veruntreuenden Mitarbeiters abzuwenden.

Hinweis:

Es ist Organen von Unternehmen rechtsformunabhängig anzuraten, sich mit der Einrichtung von Compliance-Strukturen zu beschäftigen, um das eigene Haftungspotential zu verringern.

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