Wegzugsbesteuerung bei un- bzw. teilentgeltlicher Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen

Endet die unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland, stellt die sog. Wegzugsbesteuerung i.S.d. § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) die Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven von im Privatvermögen befindlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften (= Beteiligung zu mindestens 1 % innerhalb der letzten fünf Jahre) auch bei insoweit nicht gegebenem tatsächlichem Veräußerungsvorgang sicher. Entsprechendes gilt auch bei einer un- bzw. teilentgeltlichen Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen auf eine im Ausland ansässige und somit nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Person. Offen war bislang, ob die Wegzugsbesteuerung auch dann ausgelöst wird, wenn das Vermögen der betroffenen Kapitalgesellschaft überwiegend aus in Deutschland belegenen Immobilien besteht. Denn nach der sog. Immobilienklausel wird das deutsche Besteuerungsrecht im Hinblick auf eine etwaige spätere Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile durch eine Anteilsübertragung i.d.R. weder ausgeschlossen noch beschränkt.

Im vom BFH in seinem Urteil vom 08.12.2021 (Az. I R 30/19) entschiedenen Streitfall übertrug ein Vater einen Anteil an einer deutschen GmbH teilentgeltlich auf seinen in den USA lebenden und daher in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Sohn. Hinsichtlich des unentgeltlichen Teils der Anteilsübertragung war der Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung unstreitig eröffnet. Allerdings bestand das Vermögen der GmbH größtenteils aus im Inland belegenem Grundbesitz, sodass Gewinne bei etwaiger späterer Veräußerung der GmbH-Anteile nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA weiterhin in Deutschland hätten besteuert werden können. Der Vater vertrat daher die Ansicht, die Wegzugsbesteuerung müsse vorliegend teleologisch reduzierend ausgelegt werden; ihre Anwendung sei nicht durch die alleinige Anteilsübertragung an seinen Sohn gerechtfertigt. Dem folgte das Finanzamt nicht und unterwarf auch den unentgeltlichen Teil der Anteilsübertragung der (Wegzugs-)Besteuerung. Sowohl das erstinstanzliche Finanzgericht als auch der BFH bestätigten die Auffassung des Finanzamts.

Danach bestand im Zeitpunkt der Anteilsübertragung eine den sofortigen Besteuerungszugriff rechtfertigende Situation. Denn die Eigenschaft der GmbH als Immobiliengesellschaft könnte sich im Zeitverlauf bspw. durch Veräußerung des Immobilienvermögens verändern. Insofern besteht die abstrakte Gefahr, dass das deutsche Besteuerungsrecht zu einem späteren Zeitpunkt ohne eine tatsächliche Besteuerung unterginge. Dies kann auch über die beschränkte Steuerpflicht des Sohns in Deutschland als Anteilseigner der GmbH nicht ausgeschlossen werden. Es wäre nach Auffassung des BFH zudem möglich, dass die deutsche Finanzverwaltung trotz notariell anzeigepflichtigem Vorgang von einer späteren Vermögensumschichtung der GmbH ungeachtet der sie treffenden Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen keine oder erst verspätete Kenntnis erlangen und deshalb das deutsche Besteuerungsrecht ggf. nicht mehr durchsetzen könnte. Zum anderen ist der Ausschluss bzw. die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts weder nach dem Wortlaut der Vorschrift erforderlich, noch stellt dies ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dar.

Hinweis:

Die Vorschrift der Wegzugsbesteuerung ist in der Praxis sehr bedeutsam, allerdings sind viele Einzelfragen ungeklärt. Das aktuelle Besprechungsurteil trägt daher zur Rechtsklarheit bei, auch wenn es zur vor dem 01.07.2021 geltenden Rechtslage ergangen ist.

Der BFH betont, dass es bei den (bisherigen) Haupttatbeständen der Wegzugsbesteuerung (Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wegen Wegzugs; unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person) unerheblich ist, ob das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Durch die Neufassung im Zuge des ATAD-Umsetzungsgesetzes wurde der gesetzgeberische Wille indes nicht geändert, sodass die Haupttatbestände der Wegzugsbesteuerung weiterhin verwirklicht werden können, auch wenn das deutsche Besteuerungsrecht – wie im Streitfall – uneingeschränkt erhalten bleibt.

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