Voll­stre­ckungs­schutz auch für Steu­er­schul­den vor Corona

Durch das Coro­na­vi­rus sind in wei­ten Tei­len Deutsch­lands beträcht­li­che wirt­schaft­li­che Schä­den ent­stan­den oder wer­den noch ent­ste­hen. Vor die­sem Hin­ter­grund hat das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um bereits in sei­nem Schrei­ben vom 19.03.2020 steu­er­li­che Maß­nah­men zur Berück­sich­ti­gung der Aus­wir­kun­gen des Coro­na­vi­rus ergrif­fen und lockert damit bei nach­weis­lich unmit­tel­bar und nicht nur uner­heb­lich betrof­fe­nen Steu­er­pflich­ti­gen die Rege­lun­gen im Hin­blick auf die Stundungs- und Voll­stre­ckungs­maß­nah­men. Das FG Berlin-Brandenburg ent­schied mit Beschluss vom 20.11.2020 (Az. 10 V 10146/20) über die Aus­le­gung des o.g. BMF-Schreibens.

Ein Gas­tro­nom, der dem Finanz­amt Rück­stän­de aus Einkommen‑, Gewerbe- und Umsatz­steu­er für zurück­lie­gen­de Jah­re schul­de­te, hat­te im Wege des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes um Voll­stre­ckungs­schutz nach­ge­sucht. Er berief sich dabei auf das o.g. BMF-Schreiben, wonach bei von der Corona-Pandemie geschä­dig­ten Steu­er­pflich­ti­gen bis zum 31.12.2020 von ent­spre­chen­den Voll­stre­ckungs­maß­nah­men bei allen rück­stän­di­gen oder bis zu die­sem Zeit­punkt fäl­lig wer­den­den Steu­ern abge­se­hen wer­den soll.

Nach Auf­fas­sung des Finanz­amts soll­te dies jedoch nicht für Rück­stän­de aus der Zeit vor Ver­kün­dung der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 14.03.2020 gel­ten. Dem wider­sprach das FG Berlin-Brandenburg und stellt klar, dass sich der Anwen­dungs­be­reich des o.g. BMF-Schreibens — ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Finanz­amts — auch auf Steu­er­schul­den aus der Zeit vor der Corona-Pandemie erstreckt. Aller­dings ist zu beach­ten, dass das o.g. BMF-Schreiben nur für Steu­ern gilt, die von den Lan­des­fi­nanz­be­hör­den im Auf­trag des Bun­des ver­wal­tet wer­den. Dazu gehö­ren die Einkommen- und die Umsatz­steu­er, aller­dings nicht die Gewer­be­steu­er, die von den Län­dern als eige­ne Ange­le­gen­heit ver­wal­tet wird.

Des Wei­te­ren ist der Unter­neh­mer vor­lie­gend von der Corona-Pandemie betrof­fen und gehört somit — ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Finanz­amts – auch zu dem von o.g. BMF-Schreiben begüns­tig­ten Per­so­nen­kreis; hier­aus lässt sich aber kein Kau­sal­zu­sam­men­hang zu den Steu­er­rück­stän­den ent­neh­men bzw. ablei­ten. Des­halb ist auch eine etwa­ige vor Beginn der Pan­de­mie lie­gen­de Ver­schul­dung des Steu­er­pflich­ti­gen für die Gewäh­rung des nun­mehr begehr­ten Voll­stre­ckungs­auf­schubs uner­heb­lich. Ledig­lich vor der Corona-Pandemie bereits ergrif­fe­ne Voll­stre­ckungs­maß­nah­men blei­ben bestehen und wer­den nach einem BFH-Beschluss vom 30.07.2020 (Az. VII B 73/20) nicht auf­ge­ho­ben. Zudem war es – ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Finanz­amts – auch nicht zwin­gend erfor­der­lich, dass bis zum 31.12.2020 sämt­li­che Rück­stän­de aus­ge­gli­chen wer­den kön­nen; es muss ledig­lich eine grund­sätz­li­che Aus­sicht auf Til­gung bestehen, womit nach Ende der Pan­de­mie wohl aus­zu­ge­hen sein dürfte.

Aller­dings konn­te der Gas­tro­nom letzt­lich doch kei­nen Voll­stre­ckungs­auf­schub errei­chen, denn er hat­te nicht sein gesam­tes – mög­li­cher­wei­se in Bank­schließ­fä­chern – hin­ter­leg­tes Ver­mö­gen offen­ge­legt. Trotz Corona-Pandemie ist ein Voll­stre­ckungs­auf­schub nur dann zu gewäh­ren, wenn der Steu­er­pflich­ti­ge sei­ne voll­stän­di­gen Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se dar­ge­legt und glaub­haft gemacht hat, dass er zur Beglei­chung der Steu­er­rück­stän­de aktu­ell nicht in der Lage ist. Das o.g. BMF-Schreiben schützt aus­schließ­lich zah­lungs­un­fä­hi­ge Steu­er­schuld­ner vor der Voll­stre­ckung, bewahrt hin­ge­gen aber zah­lungs­fä­hi­ge nicht vor der Steuerzahlung.

 

Hin­weis:

Mit Schrei­ben vom 22.12.2020 hat das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um sein ursprüng­li­ches Schrei­ben betref­fend die steu­er­li­chen Maß­nah­men zur Berück­sich­ti­gung der Aus­wir­kun­gen des Coro­na­vi­rus inhalt­lich ergänzt und den Anwen­dungs­zeit­raum ver­län­gert. Danach soll bis zum 30.06.2021 bei bis zum 31.03.2021 fäl­lig gewor­de­nen Steu­ern von Voll­stre­ckungs­maß­nah­men abge­se­hen werden.

Unter zutref­fen­der Annah­me einer fort­dau­ern­den Pan­de­mie sowie — zwi­schen­zeit­lich tat­säch­lich erfolg­ter — Ver­län­ge­rung der erleich­tern­den Maß­nah­men ließ das FG Berlin-Brandenburg wegen grund­sätz­li­cher Bedeu­tung der auch zukünf­tig noch auf­tre­ten­den Rechts­fra­ge die Beschwer­de zum BFH (Az. VII B 178/20 (AdV)) zu.