Abzug finaler ausländischer Betriebsstättenverluste
Eine in- oder ausländische Betriebsstätte stellt rechtlich einen unselbständigen Teil des Gesamtunternehmens dar. Grundsätzlich erfolgt die Einkommensermittlung auch bei ausländischen Betriebsstätten nach dem Welteinkommensprinzip und die Einkünfte sind beim jeweiligen Stammhaus zu berücksichtigen. Steuerlich sind jedoch zusätzlich die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zu berücksichtigen, die das Besteuerungsrecht einem der beteiligten Staaten zuweisen. Abkommensrechtlich orientiert sich die steuerliche Behandlung am Betriebsstättenprinzip des Art. 7 OECD-MA; danach erfolgt die Besteuerung der Betriebsstätteneinkünfte im Tätigkeitsstaat der Betriebsstätte, korrespondierend werden diese Einkünfte im Staat des Stammhauses von der Besteuerung (ggf. unter Berücksichtigung beim Progressionsvorbehalt) freigestellt. Entsprechend sind negative Einkünfte daher in Deutschland nicht abziehbar. Zu einem anderen Ergebnis kann es jedoch bei „finalen“ Betriebsstättenverlusten kommen; „final“ sind Verluste, wenn die Auslandsbetriebsstätte ihren Geschäftsbetrieb einstellt und negative Einkünfte im ausländischen Staat nicht mehr vorgetragen oder anderweitig verrechnet werden können.
Das FG Niedersachsen befasste sich in seinem zwischenzeitlich rechtskräftigen Urteil vom 28.11.2019 (Az. 6 K 69/17) mit der aktuellsten EuGH-Rechtsprechung und der dazugehörigen Behandlung von „finalen“ Verlusten.
Im Streitfall unterhielt eine inländische Kapitalgesellschaft eine Betriebsstätte in Polen. Da jedoch nur noch Verluste erwirtschaftet wurden, beschloss die Gesellschaft, die Betriebsstätte in Polen zu schließen. Bis zur Eintragung der Liquidation fielen weitere Verluste an. Zwar wäre eine Verlustverrechnung nach polnischem Steuerrecht rechtlich noch möglich gewesen, aufgrund der wirtschaftlichen Prognosen und fehlender zukünftiger Gewinnerwartungen konnten die Verluste in Polen jedoch tatsächlich nicht mehr genutzt werden. Die Gesellschaft vertrat daher die Auffassung, dass die Verluste „final“ und daher in die deutsche Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen sind. Die Finanzverwaltung teilte diese Auffassung von „finalen“ Verlusten nicht und erhöhte das Einkommen der Gesellschaft entsprechend.
Das FG bestätigte jedoch die Gesellschaft, dass „finale“ Verluste vorlagen und diese bei der Berechnung der Steuerlast zu berücksichtigen waren. Es bezog sich in seiner Entscheidung auf das EuGH-Urteil „Bevola“ (vom 12.06.2018, Az. C‑650/16). Die Besteuerung erfolgt nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Entsprechend können in einem anderen Mitgliedsstaat angefallene Verluste im Rahmen der deutschen Besteuerung abgezogen werden, wenn aufgrund der Einstellung der Tätigkeit ein dortiger Abzug – dauerhaft — nicht mehr möglich ist. Ebenso wäre es unverhältnismäßig, wenn sich die durch Aufgabe der Betriebsstätte geminderte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in keinem Mitgliedsstaat auswirken würde. Allerdings kommt ein Abzug der Verluste nicht in dem Veranlagungszeitraum in Betracht, in dem sie entstanden, sondern in dem sie final geworden sind.
Hinweis:
Das FG weist darauf hin, dass die bisherige, auf das EuGH Urteil „Timac Agro“ (17.12.2015, Az. C‑388/14) gestützte BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 22.02.2017, Az. I R 2/15) mit o.g. EuGH-Urteil „Bevola“ überholt ist. Betriebsstättenverluste können als final angesehen werden, wenn sie aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können. Dazu zählen z.B. die Umwandlung einer Auslandsbetriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft, die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung oder die endgültige Aufgabe der Betriebsstätte. Sollte sich die Finalität zu einem späteren Zeitpunkt als unrichtig erweisen, kann nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO eine rückwirkende Änderung erfolgen.
Allerdings sind zu dieser Thematik beim BFH weitere Verfahren anhängig (Az. I R 49/17, I R 48/17 und I R 32/18). Die Entscheidungen bleiben im Hinblick auf die jüngere EuGH-Rechtsprechung abzuwarten.