EuGH urteilt zur grenz­über­schrei­ten­den Dienstwagenüberlassung

Der Euro­päi­sche Gerichts­hof (EuGH) hat im Rah­men eines Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens des Finanz­ge­richts des Saar­lan­des am 20.01.2021 ent­schie­den, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen eine Dienst­wa­gen­über­las­sung eines Arbeit­ge­bers an einen Ange­stell­ten zur pri­va­ten Mit­be­nut­zung eine nicht kurz­fris­ti­ge Ver­mie­tung eines Beför­de­rungs­mit­tels im Sin­ne der Orts­vor­schrift des Art. 56 (2) der Richt­li­nie 2006/112/EG (MwSt­Sys­tRL; ent­spricht § 3a (3) Nr.2 S.3 UStG) dar­stellt (Rs. C‑288/19). Die­se Orts­vor­schrift besagt, dass der Besteue­rungs­ort der Ver­mie­tung eines Fahr­zeugs an einen Nicht­un­ter­neh­mer (wie zum Bei­spiel an einen Ange­stell­ten) für einen unun­ter­bro­che­nen Zeit­raum von mehr als 30 Tagen dort ist, wo der Nicht­un­ter­neh­mer (hier der Ange­stell­te) sei­nen Wohn­sitzt oder gewöhn­li­chen Auf­ent­halt hat.

 

Ent­schei­dung des EuGH

Der EuGH äußert sich zu der Anwend­bar­keit der Orts­vor­schrift des Art. 56 (2) MwSt­Sys­tRL wie folgt:

  • Erfolgt die Dienst­wa­gen­über­las­sung an den Mit­ar­bei­ter ent­gelt­lich, liegt eine Ver­mie­tung eines Beför­de­rungs­mit­tels im Sin­ne der Orts­vor­schrift nur vor, wenn der Arbeit­ge­ber sei­nem Ange­stell­ten gegen Zah­lung eines Miet­zin­ses für eine ver­ein­bar­te Dau­er das Recht über­trägt, den Dienst­wa­gen in Besitz zu neh­men und ande­re von die­sem Recht auszuschließen.
  • Eine sol­che Ver­ein­ba­rung muss nicht in einem geson­der­ten Miet­ver­trag gere­gelt sein, son­dern kann auch in dem Arbeits­ver­trag des Ange­stell­ten ent­hal­ten und in zeit­li­cher Hin­sicht an das Bestehen des Arbeits­ver­hält­nis­ses gekop­pelt sein. Auch die ver­trag­li­che arbeit­ge­ber­sei­ti­ge Vor­ga­be, das Fahr­zeug für dienst­li­che Fahr­ten zu nut­zen, ist unschäd­lich. Ent­schei­dend ist daher, dass zwi­schen dem Arbeit­ge­ber und sei­nem Ange­stell­ten eine „wirk­li­che Ver­ein­ba­rung“ besteht, die dem Ange­stell­ten die pri­va­te Mit­be­nut­zung über eine defi­nier­te Dau­er garan­tiert, so dass der Mit­ar­bei­ter das ver­trag­li­che Recht hat, das Fahr­zeug dau­er­haft auch für sei­nen pri­va­ten Bedarf unter Aus­schluss von ande­ren zu nut­zen. Der für eine Ver­mie­tung erfor­der­li­che Miet­zins kann nicht in einer antei­li­gen Arbeits­leis­tung lie­gen. Es hat hier­für viel­mehr eine Zah­lung sei­tens des Arbeit­neh­mers oder der­glei­chen (wie z.B. einen Lohn­ab­zug) zu erfolgen.
  • Folgt die Dienst­wa­gen­über­las­sung an den Mit­ar­bei­ter unent­gelt­lich, kann die Orts­vor­schrift nicht zur Anwen­dung kom­men. Denn der für eine Ver­mie­tung erfor­der­li­che tat­säch­lich in Geld zu ent­rich­ten­de Miet­zins liegt auch dann nicht vor, falls die unent­gelt­li­che Nut­zungs­über­las­sung einer Dienst­leis­tung gegen Ent­gelt nach Art. 26 (1) Buchst. a) der Richt­li­nie 2006/112 gleich­ge­stellt sein sollte.

 

Hin­ter­grund der Entscheidung

Der Unter­neh­mer QM, eine Ver­wal­tungs­ge­sell­schaft eines Invest­ment­fonds mit Sitz in Luxem­burg, stell­te zwei ihrer Mit­ar­bei­ter jeweils ein Fahr­zeug zur Ver­fü­gung. Die Mit­ar­bei­ter hat­ten ihren Wohn­sitz in Deutsch­land und übten ihre Tätig­keit von Luxem­burg aus. Die Fahr­zeu­ge wur­den von den Mit­ar­bei­tern sowohl dienst­lich wie auch pri­vat genutzt. Gegen­über einem der Mit­ar­bei­ter erfolg­te die Fahr­zeug­über­las­sung kos­ten­frei, wäh­rend QM von dem ande­ren Mit­ar­bei­ter für die Dienst­wa­gen­über­las­sung einen jähr­li­chen Betrag von knapp 5.700,00 EUR vom Gehalt einbehielt.

QM unter­lag in Luxem­burg auf­grund ihrer umsatz­steu­er­frei­en Fonds­ver­wal­tungs­tä­tig­kei­ten einem ver­ein­fach­ten Besteue­rungs­ver­fah­ren und konn­te in die­sem Mit­glied­staat die in Ver­bin­dung mit den bei­den Fahr­zeu­gen gezahl­te Mehr­wert­steu­er nicht als Vor­steu­er abzie­hen. Die Fahr­zeug­über­las­sun­gen lös­ten in Luxem­burg kei­ne Mehr­wert­steu­er aus.

Das für QM zustän­di­ge deut­sche Finanz­amt unter­warf bei­de Fahr­zeug­über­las­sun­gen der deut­schen Mehr­wert­steu­er unter Anwen­dung der Orts­re­ge­lung von Art. 56 (2) MwSt­Sys­tRL (§ 3a (3) Nr.2 S.3 UStG).

 

Kon­se­quen­zen aus der Ent­schei­dung des EuGH

In der Pra­xis erge­ben sich aus dem Urteil des EuGH ins­be­son­de­re fol­gen­de Kon­se­quen­zen bei län­ger­fris­ti­gen Dienst­wa­gen­über­las­sun­gen zur auch pri­va­ten Verwendung:

Unent­gelt­li­che Dienst­wa­gen­über­las­sun­gen eines aus­län­di­schen Unter­neh­mers von sei­nem Sitz im Aus­land kommt es nicht zu einer Umsatz­be­steue­rung der Dienst­wa­gen­über­las­sung in Deutsch­land. Denn selbst wenn die unent­gelt­li­che Kfz-Überlassung einer Dienst­leis­tung gegen Ent­gelt gleich­zu­stel­len ist, rich­tet sich der Ort der Leis­tung nach Art. 45 MwSt­Sys­tRL (ent­spricht § 3a (1) UStG) und liegt damit dort, wo der Unter­neh­mer den Sitz sei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit hat (Aus­land). Zu dem glei­chen Ergeb­nis gelangt man für frü­he­re Zeit­räu­me bei Anwen­dung der (mitt­ler­wei­le auf­ge­ho­be­nen) Orts­vor­schrift für unent­gelt­li­che Wert­ab­ga­ben nach § 3f UStG.

 

Bei ent­gelt­li­chen Dienst­wa­gen­über­las­sun­gen ist dage­gen eine genaue Prü­fung erfor­der­lich. Nur wenn die ver­trag­li­che Abre­de zwi­schen dem Arbeit­ge­ber und sei­nem Arbeit­neh­mer der­art gestal­tet ist, dass das Recht zur pri­va­ten Nut­zung (unter Aus­schluss von ande­ren) und die Dau­er des Nut­zungs­rechts fest­ste­hen (was in deut­schen Arbeits­ver­trä­gen in der Regel der Fall ist), erfolgt bei einer ent­gelt­li­chen Dienst­wa­gen­über­las­sung eines Unter­neh­mers von sei­nem aus­län­di­schen Sitz an einen in Deutsch­land wohn­haf­ten Mit­ar­bei­ter eine Besteue­rung in Deutsch­land auf­grund der Anwend­bar­keit der Orts­vor­schrift des Art. 56 (2) MwSt­Sys­tRL (§ 3a (3) Nr.2 S.3 UStG).

 

Hin­weis:

Für wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu die­sem The­men­kom­plex ste­hen Ihnen Annet­te Pogodda-Grünwald und Frank von Itter aus unse­rem VAT Cen­ter of Excel­lence zur Ver­fü­gung, die auch das Ver­fah­ren vor dem EuGH mit­ge­führt haben.